KAPITEL 11 – Digitalisierung – Gesundheit

Autor: Alexander Disler

Die tägliche Ausmessung der menschlichen Leistung

Ben hatte bereits in der Lehre einen Fitnesstracker, damals waren dies noch einfache Geräte, welche nicht ganz so exakt die menschlichen Tätigkeiten, insbesondere die sportlichen Aktivitäten, aufgezeichnet hatten. Bereits im 2016 begannen einige Versicherungen, u.a. die Krankenversicherungen, tätigkeitsabhängige Prämien zu verrechnen. Dies bedeutete damals, dass der Prämiennehmer je nach Anzahl Schritte oder sportlicher Aktivität eine Vergünstigung erhielt. Dies war für Ben damals nicht das ausschlaggebende Kriterium, vielmehr wollte er seine sportlichen Aktivitäten für sich selbst dokumentieren. Dazu zählen die gewählte Strecke, die aufgewendete Zeit, die Distanz, die verbrauchten Kalorien oder auch die Fahrgeschwindigkeit.

Dennoch schätzte Ben es auch, dass er durch seine doch umfangreichen sportlichen Aktivitäten einen Prämienbonus erhielt. Und Ben ist wahrlich ein Sportler, er praktiziert u.a. Jogging, Mountain-Biking, Rennrad-Fahren, Bergsteigen, Schwimmen, Sportklettern, Skifahren, Trekking und Hiking (Wandern). Die heutigen Fitnesstracker sind deutlich weiter fortgeschritten, so werden alle Vitalfunktionen unmittelbar erfasst und an die E-Plattform übermittelt. Sollten daraus irgendwelche gesundheitliche Probleme für Ben entstehen, wird eine Warnung mit allen vitalen, aktuellen Ist-Werten an seinen Hausarzt versandt.

Dieser kann auf Grund der Meldung unmittelbar eingreifen und notfalls Meldungen an den Patienten verschicken, einen Notfallarzt mit Fahrzeug aufbieten oder in der Nähe Personen mit medizinischer Ausbildung ausfindig machen. Der jeweilige Träger hat so die Sicherheit, jederzeit gesundheitlich überwacht und im Notfall bestmöglichst versorgt zu sein. So haben in der Zwischenzeit auch alle Versicherten individuelle Krankenversicherungsprämien, und dies ganz abhängig von ihren gesundheitlichen Werten. Ben findet dies okay, da ja jedermann selbst für seine Gesundheit verantwortlich ist und man selber bestimmen kann, wie gesund man leben will oder eben nicht. Alle virtuell Süchtigen leben sicherlich nicht gesund und für diese möchte er nicht mit seiner Prämie aufkommen.

Der Bereich der Gesundheits-Dienstleistungen lässt sich mit dem Internet deutlich einfacher umsetzen. Die entsprechenden Dienstleistungen können auf Plattformen einfacher und kostengünstiger angeboten werden. Weight Watchers ist zum Beispiel ein solches Dienstleistungsunternehmen. In der Cloud lassen sich die die abnahmewilligen, übergewichtigen Menschen einfacher und anonymer Zusammenfassen, in Foren lässt sich einfacher über Diäten diskutieren und Tipps und Tricks austauschen.

Würde Weight Watchers heute als Start-up gegründet, würden findige Personen alle die entsprechenden Informationen sammeln, analysieren und die besten Rezepte zur Gewichtsreduktion selbst vermarkten. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass bestehende Unternehmen die zukünftige Entwicklung der Digitalisierung nicht ausser Acht lassen. Gerade im Bereich dieser Dienstleistungsindustrie (Gewichtsreduktion) werden in den nächsten Jahren einige weitere interessante Hilfsmittel auf den Markt kommen.

Die heutigen Businessmodelle dieser Dienstleistungsindustrie setzen einerseits auf Beratung (in Gruppen oder Einzelcoaching) und den Verkauf von kalorierenreduzierten Nahrungsmitteln. Betrachtet man nun die heutigen bereits existierenden technischen Hilfsmittel, lassen sich diese für eine gesündere und nachhaltigere Lebensweise miteinsetzen. So könnte diese Dienstleistungsindustrie auf Software (in die man die aufgenommene Nahrung eingibt) sowie auf einen Bewegungstracker setzen. Die entsprechende Software und Tracker werden für eine bestimmte Zeit vermietet (oder verkauft). Der abnahmewillige Konsument trackt dadurch sein Leben (Bewegung) und sein Essverhalten, individuell wird er nun beraten/ge-coached. Dadurch entfällt der Verkauf von kalorienreduzierten Nahrungsmitteln, welche den grössten Teil der heutigen Einkünfte ausmacht. Die heutigen Unternehmen kommen so unter Druck.

Smartphones als medizinisches Hilfsmittel

Apple ist mit der britischen GlaxoSmithKline im 2015, einem grossen Pharmahersteller, eine strategische Partnerschaft eingegangen. Die Zielgruppe für die neue Software ResearchKit sind Mediziner und Forscher. Die Software soll klinischen Forschern ermöglichen, wissenschaftliche relevante Studien zu entwickeln und durchzuführen. 2016 wurde so nun eine erste 3-monatige Studie mit Arthrithis-Patienten durchgeführt. Die Studienteilnehmer erfassen nun mittels des Smartphones und dessen integrierten Sensoren ihren Alltag (auf Schritt und Tritt), dabei werden die Studienteilnehmer auch über ihr Befinden in den einzelnen Situationen befragt.

Dabei geht es darum, anhand von Bewegungsabläufen nach Anzeichen von Schmerzen oder Gelenkproblemen zu suchen. Für den Pharmabetrieb GSK ist dies interessant, weil dadurch Kosten gespart werden können. So müssen Patienten sich nicht mehr zur Forschungseinrichtung bzw. zu Forschungslabors der Firma einfinden und man verfügt zudem über ein grösseres Potenzial an auswertbaren Daten, die unter realen Bedingungen erfasst wurden. Apple profiliert sich als Player im Medizinmarkt, welcher einen nicht unbedeutenden weltweit grossen Markt darstellt.

Der virtuelle Butler James

Die Hochschule Luzern hat mit dem iHomeLab eine Software für einen virtuellen Butler James entwickelt. Der Butler James überwacht dank Sensoren und Radar die entsprechende Wohnung (dabei werden nur die neuralgischen wichtigen Stellen erfasst). So werden die Bewegungen der Bewohner auf Unregelmässigkeiten überwacht, z.B. bei einem Sturz – da fragt die eingebaute Gegensprechanlage: «Alles in Ordnung Frau XY?». Dadurch können Senioren deutlich länger autonom in ihrer Wohnung leben.

Das iHomeLab der Hochschule versucht zudem, die Sensoren und die technischen Installationen so intelligent und gleichzeitig so unauffällig wie möglich zu gestalten. Die automatische Sturz-und Umfallerkennung gibt es bereits heute schon, sie funktioniert mit Sensoren, die auch bei Spielkonsolen verwendet werden. Eine andere Anwendung ist die Überwachung beispielsweise dessen, ob der Wohninhaber seine Ernährung vernachlässigt oder wichtige Medikamente nicht einnimmt. Folgende Tools sind heute bereits im Einsatz:

  • Relaxed Care, dieser Würfel ist mit einem System ausgestattet, welches das aktuelle Befinden einer Person ermittelt. Dank einer ständigen Verbindung wird der Zustand laufend an Familienmitglieder übermittelt. Zielgruppe: alleinlebende, betreuungsbedürftige Personen und deren Angehörige. www.relaxedcare.eu/de
  • Dalia ist eine Assistentin für den Alltag. Sie hilft beispielsweise via Smartphone bei der Suche nach verlorenen Gegenständen oder erinnert an die Einnahme von Medikamenten. Das System bietet auch Unterstützung für informelle Pflegekräfte (z.B. Verwandte) oder professionelle Dienste. Zielgruppe: Ältere Menschen, die Unterstützung im Alltag suchen und informelle Pflegekräfte (Verwandte oder Nachbarn). www.dalia-aal.eu
  • iSens, Ziel dieses Projektes ist die Entwicklung eines Sensors, der bei längerem Ausbleiben von Bewegungen in der Wohnung einen Alarm auslöst. Stellt der Sensor nach einer einstellbaren Zeit keine Bewegung fest, geht der Alarm los. Wird dieser nicht quittiert, erfolgt die Weiterleitung des Alarms.
    Zielgruppe: alleinstehende ältere Menschen, die nicht mehr ganz sicher auf den Beinen sind. www.polyprojekt.ch
  • iWalkActive, ein intelligenter Rollator, der dank Elektromotor und Navigationssystem sowohl drinnen wie auch draussen die Mobilität verbessert. Zielgruppe: Menschen, die auf eine Gehhilfe angewiesen sind. www.iwalkactive.eu
  • Confidence verbindet persönliche Hilfe mit sinnvoller Technologie-Unterstützung. Verliert jemand beispielsweise die Orientierung oder befindet sich jemand in einer Notlage, kann er oder sie auf Knopfdruck Familienangehörige, professionelle Pfleger oder eine andere Kontaktperson alarmieren. Zielgruppe: Personen mit einer leichten bis mittleren Demenz. www.confidence4you.eu

Elektronische Patientendossiers

Das schweizerische Parlament hat das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) am 19. Juni 2015 verabschiedet. Das Gesetz wird 2017 in Kraft treten.

Das elektronische Patientendossier ist ein virtuelles Dossier, über das dezentral abgelegte behandlungsrelevante Daten einer Patientin oder eines Patienten in einem Abrufverfahren den an der Behandlung beteiligten Gesundheitsfachpersonen zugänglich gemacht werden können (z.B. Labordaten, Rezepte, radiologische Berichte). Die Patientin oder der Patient hat die Möglichkeit, selber eigene Daten (z. B. Informationen über Allergien oder Kontaktdaten von im Notfall zu benachrichtigenden Personen) in ihr oder sein elektronisches Patientendossier hochzuladen und diese damit den behandelnden Gesundheitsfachpersonen zugänglich zu machen.

Der Nutzen des elektronischen Patientendossiers liegt in einer zentralen (elektronischen) Ablage aller gesundheitsrelevanten Daten des Konsumenten und Users, dabei werden die Qualität von medizinischen Behandlungen erhöht, die Behandlungsprozesse verbessert, die Patientensicherheit erhöht und die Effizienz des Gesundheitssystems gesteigert sowie die Gesundheitskompetenz der Konsumenten und User gefördert.

Die schweizerischen Konsumenten (Patienten) entscheiden selbst, ob sie ein elektronisches Patientendossier eröffnen wollen. Das elektronische Patientendossier kann später ohne Angabe von Gründen gelöscht werden. Der Konsument hat jederzeit Zugriff auf alle Daten und Dokumente aus seinem elektronischen Patientendossier. Gesundheitsfachpersonen haben nur dann Zugang zum elektronischen Patientendossier, wenn sie die entsprechenden Zugriffsrechte erhalten haben. Dabei werden alle Datenabrufe protokolliert. Um dem Datenschutz gerecht zu werden, können die Konsumenten und User selber bestimmen, wer welche Daten einsehen darf oder nutzen kann.