2. Einführung ins Thema Digital und Disruption

Autor: Alexander Disler

Der Auslöser für die Erstellung dieses Buches war meine persönliche Feststellung, dass viele, ja sogar die meisten der mittleren und kleineren Unternehmen, unter dem Begriff der Digitalisierung nichts Konkretes verstehen und deshalb diesbezüglich auch nichts unternehmen. Man wähnt sich zwar als nicht betroffen, dennoch nutzt man die neuen Technologien, wie Smartphones, Tablets, Desktop-PC’s und die entsprechenden Programme der unterschiedlichsten Software-Anbieter. Für das eigene Unternehmen betrachtet man spezifische Tools (Anwendungs-Software), welche die Kunden anwenden und nutzen könnten, als nicht notwendig. Vielfach höre ich auch, das Ganze sei «eine Spielerei und in unserer Branche halt ganz anders». Die eigenen Kunden würden lieber das direkte Gespräch mit dem Aussendienst oder mit einem Mitarbeiter der Firma suchen, per Telefon oder per E-Mail bestellen.

Dabei wird völlig verkannt, dass die entsprechenden Kunden auch dieser Unternehmen im privaten Bereich meistens bereits all diese (anderen) Tools, wie beispielsweise Online-Private-Banking oder E-Bestellungen bei Online-Plattformen tätigen, ganz selbstverständlich mit Self-Scanning und Self-Checkout einkaufen gehen, stets überall und jederzeit die allerneuesten News konsumieren, mit der Familie und mit Bekannten per Whatsapp, SMS, Facebook, Twitter und anderen sozialen Medien kommunizieren, oder ganz selbstverständlich GPS (Global Positioning System) nutzen (über APPS oder Navigationssysteme).

Die digitale Veränderung der Welt

Es ist absehbar, dass alles miteinander vernetzt wird. Jedes Produkt/Leistung oder jede Maschine wird eine eigene Adresse und eine Verbindung zum Internet erhalten. Maschinen werden mit anderen Maschinen kommunizieren, selbständig (mit den vorgegebenen Parametern) Bestellungen für uns Menschen auslösen, Informationen automatisch über weite Strecken übermitteln, direkt in der Produktion der Smart Factory (Industrie 4.0) nachfragen und Produktionen auslösen, Fahrzeuge werden autonom fahren, Online-Bestellungen werden für alle Produkte und Leistungen verfügbar sein, Lieferungen an den Kunden werden innerhalb kürzester Zeit (unter 24h) ausgeliefert und mittels RFID getrackt und damit verfolgbar sein, neue vernetzte Liefer-/Logistikformen werden sich etablieren, der 3D-Druck wird allgegenwärtig sein (für jegliche Konsum- und Investitionsgüter) und wird die klassischen Produktionen und deren Produktionshallen ersetzen, der Arbeitsmarkt und unser Verständnis für Arbeit wird sich grundlegend verändern, es entstehen grosse Big Data Seen, welche zum Treibstoff der Digitalisierung werden, und vieles mehr. Dies alles bedingt eine Vielzahl unterschiedlichster Sensoren und Erfassungsgeräte. In den Wertschöpfungsketten der Unternehmen werden immer weniger Menschen beschäftigt, dafür benötigt man immer mehr Programmierer, denn diese sind die Konstrukteure der Softwareprogramme und der Computer. Die digitale Transformation der Wirtschaft und der Volkswirtschaften werden das Innovationstempo aus zwei Gründen massiv steigern: einerseits auf Grund des menschlichen Ideenreichtums mit all den neuen Anwendungstools und Plattformen und andererseits durch die damit verbundenen, entstehenden und neuen Geschäftsmodelle.

Das schnellere Tempo ist bereits heute spürbar und führt generell dazu, dass der Wettbewerb in allen Branchen intensiver wird. Der allgegenwärtige Preisdruck ist auch eine Folge davon. Fragen Sie bitte in Ihrem Kollegenkreis herum – welche Branche befindet sich heute nicht unter starkem Wettbewerbs- und Preisdruck? Es sind nur noch ganz wenige Branchen, die nicht unter diesem Druck leiden. Nur wer einen echten Mehrwert oder Nutzen für den Kunden stiften oder bieten kann, hat auch weiterhin eine Existenzberechtigung. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigt, dass selbst grosse Marken (Unternehmen) innerhalb von kurzer Zeit als Nobodys vom Markt verschwinden, wie Nokia (Mobiltelefone), Ackermann (Versandhandel) oder Grundig (Unterhaltungselektronik). Dafür entstanden neue, innovative Unternehmen aus dem Nichts, wie Google, Apple, Zalando oder Galaxus, welche in den gleichen Branchen, jedoch mit neuen Geschäftsmodellen, erfolgreich sind.

Wer sich dieser Transformation nicht stellt, gerät unweigerlich in akute Bedrängnis. Wer die Veränderung als Chance wahrnimmt, kann diese Transformation antizipieren und gestalten, daraus die richtigen Geschäftsmodelle für sich und seine Branche entwickeln und Erfolg haben. Die Veränderung wird allgegenwärtig. Denn dank der Digitalisierung werden Unternehmen transparenter, effizienter und produktiver. Die digitale Transparenz hat jedoch den unangenehmen Nebeneffekt, dass alle Bewegungen erfasst, verwendet und ausgewertet werden (können). Der Kunde, das Produkt, die Leistung oder jede Person wird dadurch «gläsern». Experten gehen davon aus, dass es zwar einige Konsumenten geben wird, die sich dieser Entwicklung entgegenstemmen und sich diesem Fortschritt entziehen werden. Mit der Digitalisierung profitiert der Konsument aber auch um ein Vielfaches, er wird die Annehmlichkeiten deutlich mehr schätzen als die damit verbundenen Gefahren. Wir müssen uns aber auch klarmachen, dass wir, die Konsumenten und Volkswirtschaften, erst am Beginn dieser noch länger andauernden Transformation stehen.

Experten beobachten diese Entwicklung (gemäss obiger Grafik) quer durch alle Branchen, denn immer weitere Unternehmen stossen zum Bereich der digitalen Unternehmen hinzu. Das Merkmal dieser Unternehmen ist, dass vermehrt alle massgeblichen Geschäftsprozesse durch die IT gesteuert werden. Dabei steht aber nicht die reine Software-Entwicklung im Vordergrund, sondern es geht darum, alle massgebenden Komponenten eines Business-Modells in den digitalen Prozess zu integrieren. So wird von den IT-Spezialisten in einem Unternehmen auf der einen Seite immer mehr Branchenwissen und unternehmerisches Denken gefordert, auf der anderen Seite müssen die restlichen Fachabteilungen mehr als nur grundlegendes IT-Know-how und Anwenderwissen mitbringen.

Die Brücke zwischen der digitalen und realen Welt wird mit cyber-physischen Systemen (CPS) auf Plattformen überbrückt.

Digitale Plattformen

Durch die Sharing Economy wurde weltweit eine Vielzahl von digitalen Community-Plattformen geschaffen, welche die Kunden und Anbieter sehr effizient miteinander verbinden. Die EU schätzt das Marktpotenzial auf rund 570 Mia. Euro. Das heutige Marktvolumen im 2016 wird erst mit 28 Mia. Euro beziffert. Laufend kommen neue Plattformen (Anbieter) und Marktgebiete hinzu. Nachstehend die wichtigsten Bereiche und Beispiele von Anbietern aus der Sharing Economy:

Mobilität: UBER, MyTaxi, Lyft, Didi Chuxing, 2em, Parkit, Parku, Paringspace, Shared Parking, Publibike, Velospot, nextbike, Mobility, Sharoo, Bringbee, Hitchbike, Sailbox, Sailcom, Shrebo, Tooxme, Compartir, Mitfahrgelegenheit, Mitfahrangebot, E-Carsharing, Auto-Taus, Karzoo.

Räume/Touristik: Airbnb, CouchSurfing, Home for Home, Haustausch, Tauschwohnung, Homelink, Wimdu, 9flats, Gloveler, Raumtausch, booking, trivago. Die Liste, auch diejenige der Spezialanbieter, ist sehr lang.

Güter: Sharely, Bildertausch, Wyby, Exsila, Ticketbörse, Pumpipumpe, Relimi, Weeshare, Frents, dertausch, Nachbarnetz, Tauschrausch, Whyownit, Effektiv.

Ernährung: Cookeat, Foodsharing, Myfoodsharing, Tauschobst, Comedor, Food Coop, Öpfelchasper, Bioco, Ortoloco, Wädichörbli.

Finanzierung: C-Crowd, Cashare, 7crowd, 100Days, Wemakeit, Facebooktausch.

Arbeit: Jacando, Mila, RentaRentner, Jobs.

Kleidung: Amoire au revoir, Kleiderkorb, Walk-in Closet.

Wissen: Skillharbour, Talent, Diplomero, Tauschnetz Länggasse, Tauschen am Fluss, Massageaustausch, Sprachtandem, Unterrichtsmaterial, Tripadvisor.

Zeit: Tauschnetz, Zytbörse, lets.ch, Vazyt, Zeittausch, Ziitbörsa, Tauschkreis, Zeittauschbörse, Give and get, Nachbarschaftshilfe, Zeitbörse, Sambio di Favori, Sel, Tauscheria, Kiss, Bazore.

Mit der Share-Economy findet ein gesellschaftliches Umdenken statt, anstelle von reinem Konsum (mit Besitztum) sollen die Güter/Produkte genutzt werden. Statt Luxus wünscht sich die zwischen 1980 und 2000 Geborenen, die sogenannte Generation Y, mehr Zeit für sich. Statt Eigentum anzuhäufen, wollen sie vor allem Erlebnisse und Beziehungen pflegen, denn Besitz und Status bedeuten auch Last.

Diese Plattformen bedingen offene Systeme, damit die Daten uneingeschränkt ausgetauscht werden können. Dies führt dazu, dass Unternehmen, welche die digitale Transformation aktiv angehen wollen, ihre IT-Infrastruktur ausbauen bzw. nachrüsten müssen. Es gilt dabei, grössere Mengen an Daten (Big Data), Systemen, Geräten, Funktionen und Prozessen zu managen. Heutzutage ist die Mehrheit der bestehenden Systeme, Geräte (wie Maschinen) und Kommunikationssysteme in sich geschlossen und diese verrichten klar festgeschriebene und vorgegebene Aufgaben in einem exakt definierten Kontext. Durch eine Flexibilisierung, Öffnung und Vernetzung der Systeme entsteht der Nutzen für Unternehmen. Erst durch diese Öffnung ist es den Unternehmen möglich, das benötigte Datenmaterial für die digitale Transformation zu generieren.

Damit eine Kommunikation zwischen der realen und der digitalen Welt möglich ist, werden die physischen Güter und Geräte mit entsprechender Sensorik (Sensoren, Aktoren, Prozessoren und Software-Komponenten) und einer digitalen Identität ausgerüstet. Diese «intelligenten» physischen Güter und Geräte werden anschliessend verknüpft. Dabei werden die entstehenden Daten, Prozesse, Funktionen und das Management zu einer digitalen Steuerungseinheit. Was früher eine Mensch-Maschinen-Schnittstelle war, die häufig fehleranfällig war, wird zur Maschinen-Maschinen-Schnittstelle. Dadurch ist eine Vernetzung der Prozesse gewährleistet und neue Prozesse (Abläufe) werden in einer digitalen Welt umgesetzt. Systeme, die sich selbst organisieren und mittels künstlicher Intelligenz selbstständig Entscheidungen treffen, werden den Begriff der Produktion (Industrie 4.0) revolutionieren. Die Vernetzung führt auch zu einer Effizienzsteigerung und einer höheren Prozesssicherheit, zudem sinken die Transaktionskosten. Somit kann man Produkte und Leistungen kostengünstiger im Markt anbieten. Aus den offenen CPS-Plattformen lassen sich neue Geschäftsprozesse ableiten, da jeder Konsument/Nutzer seine Leistungen individuell selbstständig zusammenstellen kann.

Die digitale Transformation verlangt ein interdisziplinäres Vorgehen, die einzelnen Fachgebiete verlieren dabei ihre bisherigen Bedeutungen. Die digitale Transformation ist weit mehr als ein IT-Thema und nicht nur auf Informatiker beschränkt. Eine neue Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Bereichen (wie Verkauf, Technik, Marketing, IT) ist nötig, wie auch interdisziplinäre Teams mit neuartigen Strukturen und Regeln. Daraus werden noch nie dagewesene Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle entstehen.

Neue Unternehmen und volkswirtschafte Formen

Die digitale Transformation produziert Gewinner und Verlierer – wer nicht bereit zur Veränderung ist, wird zu den Verlierern gehören. Die Rollenverteilung zwischen Unternehmen und Kunden verändert sich ausserdem massgeblich. Der neue Kunde informiert sich heute weitgehend im Internet, also online. Auch Bestellungen wickelt er im Internet ab, er verfolgt Sendungen und bezahlt die Rechnung unmittelbar mit der Kreditkarte, mittels Paypal oder E-Banking. Über die heutigen E-Plattformen, wie Amazon, booking oder Digitec, kann man sehr intuitiv, einfach und schnell eine Bestellung aufgeben oder weitergehende Informationen zu einem Produkt oder einer Leistung abrufen. Dabei fungieren diese heutigen Plattformen als Vorgaben für weitere Plattformen. In der digitalen Welt sind die Kunden auch bereit, einen Teil der Arbeit selbst zu übernehmen, weil es schneller, einfacher, zuverlässiger oder bequemer ist. Dazu gehören beispielsweise das Abheben von Geld am Automaten wie auch Selfscanning- und Bezahlsysteme, das Lösen von Bus-/Bahntickets oder das Buchen von Reisen übers Internet. Diese Möglichkeiten werden vor allem von grösseren Unternehmen angeboten. In der digitalen Welt steigt auch die Markt- und Preistransparenz massiv an. Mit wenigen Klicks auf Vergleichs-Plattformen wie Immoscout, Comparis, oder preisvergleich erhält man eine komplette Übersicht der entsprechenden Produkte oder Dienstleistungen.

Mit diesen Erfahrungen steigt auch der Druck auf die kleineren Unternehmen, welche nicht über die gleichen Personal- und Digital-Ressourcen verfügen. Der Kunde gewöhnt sich aber an den Service und wird intolerant gegenüber Wartezeiten und unvollständigen Auskünften. Aus Sicht des Unternehmens sind zwei Merkmale für den Service matchentscheiden: Einerseits die eigenen Mitarbeiter (Verkauf, Kundendienst, Geschäftsleitung), welche durch ihr Auftreten und die Art und Weise der Kommunikation zum Kunden positiv auffallen. Andererseits die zur Verfügung stehenden digitalen Systeme, welche eine Reduktion der Mitarbeiteranzahl herbeiführen (durch effizientere Prozesse) und gleichzeitig eine massive Vereinfachung der Ablaufprozesse ermöglichen. Dadurch lässt sich mit weniger Ressourcen (Mitarbeiter, Produktion usw.) ein Mehr-Umsatz erzielen.
Das Minimum ist dabei eine ansprechende Webseite, welche übersichtlich, intuitiv, klar und vor allem auch gut auffindbar sein sollte. Die angebotene Leistung mit dem entsprechenden Nutzen sollte dabei klar und deutlich ersichtlich sein. Dabei fällt vor allem bei kleineren Unternehmen auf, dass sie sich diesem Umstand nicht bewusst sind, was mehrere Studien belegen. Folgende Merkmale lassen sich aus den Marktbefragungen ableiten:

  • viele Unternehmen kennen ihre Kunden zu wenig gut
  • viele Unternehmen wissen nicht, wie und über welche Kanäle sich die Kunden vor einem Kauf informieren
  • viele Unternehmen verfügen über zu wenig Know-how zu SEM (Search Enginee Marketing) oder zur digitalen Transformation
  • die Mitarbeiter verfügen nicht über das notwendige Wissen über die digitalisierte Welt
  • viele kleinere Unternehmen haben Mühe damit, kompetente Mitarbeiter mit dem entsprechenden Know-how zu binden

Vor allem der letzte Punkt bedingt eine Anpassung der Unternehmenskultur, denn digitale Mitarbeiter wollen nicht primär einen sicheren Job, sondern sie wollen sich entfalten können. Dabei benötigen sie ein hohes Mass an Flexibilität und Eigenverantwortung. Innerhalb einer bestehenden KMU-Hierarchie besteht somit die Gefahr, dass solche Talente von der Hierarchie «verschluckt» werden, indem sie ihre Kreativität gar nicht ausleben können. Eine digitale Transformation mit der entsprechenden Unternehmensstrategie geht letztlich mit einer neuen Personalentwicklung «Hand in Hand» einher.

«Sind Firmen und Staaten bald überflüssig?» Mit dieser von mir sehr provokativ gestellten Frage möchte ich Sie aufwecken, denn immer mehr Dienste werden über App’s angeboten und vermittelt. Mit der Digitalisierung wird eine granulare (körnige) Wirtschaft und Gesellschaft entstehen. Damit ist eine Aufsplittung der heutigen volkswirtschaftlichen Strukturen zu verstehen. Heutige App’s vermitteln bereits Putzfachkräfte & Zügelleute (jacando), Gartenhelfer, Maler und Gipser (Expertado), Taxifahrer (UBER, MyTaxi), Personalvermittler (jobs, alpha, rentarentner), Betten in Privathäusern (couchsurfing, Airbnb) usw.

Viele Studien, Seminare und Trendforscher bestätigen, dass es mit der Digitalisierung zu deutlich mehr Selbstständigkeit als Arbeitsform kommen wird. Wenn nun all diese Selbständigen als Einzelunternehmer (Micro-Unternehmer) durch solche App’s aufgespürt, vermittelt und bezahlt werden, dann wird die Volkswirtschaft körnig, eben granular. Aber weshalb werden immer mehr Menschen selbständig, welches Triebmittel steht dahinter? Es sind die vermiedenen Transaktionskosten, welche das Triebmittel für diese Entwicklung sind. Unter Transaktionskosten versteht man die Gemeinkosten der innerbetrieblichen Hierarchie zur notwendigen Leistungserstellung (im Volksmund auch Wasserkopf genannt). Die App’s sind nun das Unternehmen: ohne Büro, ohne Sekretärin, ohne Wasserkopf, und so ohne Transaktionskosten. In den westlichen Industrienationen bestehen die Volkswirtschaften zu über 70% aus Dienstleistungs-Betrieben (Schweiz: primärer Sektor: 0.7% (Landwirtschaft), sekundärer Sektor: 25.5% (Industrie), tertiärer Sektor: 73.8% (Dienstleistung); Zahlen BFS 2015). In grossen Unternehmen wird zudem sicherlich 20% der Arbeitszeit für nutzlose Meetings, Revierkämpfe und Raucherpausen vor der Türe «verbrannt».

Da wirken diese neuen Plattformen wie eine Revolution, denn via App vermitteln Selbständige ihre Arbeitskraft ohne Totzeit und Wasserkopf. Ohne diese Transaktionskosten sind die entsprechenden Produkte/Leistungen deutlich preisgünstiger, als die bisherigen Marktteilnehmer anbieten können. Die bisherigen Marktteilnehmer kommen so unter Zugzwang. Als Beispiel seien hier nur die beiden Taxi-App’s UBER und MyTaxi angefügt. Beide App’s bringen die bestehende Branchenstruktur massiv unter Druck. Ein UBER-Fahrer muss keine Taxiprüfung ablegen, er bezahlt auch nicht für einen Standplatz Gebühren, ebenso wenig wird eine Taxizentrale gebraucht. Mit einem Auto, einem Navigationsgerät und der App von UBER ist man bereits im Geschäft. Übrigens: Neben den Taxifahrern kommen nun auch Autovermieter unter Druck. Vermehrt nutzen Geschäftsleute inzwischen UBER oder andere Fahrdienste, anstatt sich ein Auto zu mieten. Eine Erhebung von Bloomberg aus dem Jahr 2016 für Nordamerika zeigt, dass die Ausgaben für Mietautos in den letzten 2 Jahren um 15% gesunken sind. Der Rückgang bei den Autovermietern ist aktuell noch nicht so gross wie bei den Taxifahrern. Eine weitere Erhebung für die Schweiz zeigt, dass der UBER-Nutzer zwischen 30-40% günstiger fährt als mit einem herkömmlichen Taxibetrieb.

Das bestehende Taxigewerbe ist heute in einem ausgeprägten regulierten Bereich tätig. Die neuen Dienste und Angebote brechen das bestehende Geschäftsmodell auf. Zudem haben sich im bestehenden Geschäft auch Missstände durch die (gesetzgeberischen) Regulierung ergeben, so werden Taxikunden auf Kurzstrecken nicht befördert, die Preise sind (kartellmässig) abgesprochen und taxiert, Fahrzeuge sind teilweise veraltet, Taxi-Chauffeure können teilweise sehr unfreundlich sein usw. In geografischen Gebieten, in denen UBER aktiv ist, sind die Umsätze der regulären Taxibetriebe um über 30% zurückgegangen. Von UBER-Kunden weiss man, dass sie UBER bevorzugen, weil die UBER-Taxis sauberer seien, freundliche Fahrer hätten (welche auch interessantere Gespräch führten), neuere Fahrzeuge benützten, Zusatzleistungen (wie Bonbons, Wasser etc.) anböten usw.

Eine Reduktion der Transaktionskosten ist in den meisten Branchen möglich, so beispielsweise auch in der Finanzbranche. Bitcoin ist ein entsprechender Ansatz, der die ganze heutige Finanzbranche in Frage stellt. Auf Grund der Verwerfungen, auch auf Grund der Finanzkrise von 2008, hinterfragen immer mehr Menschen die Rolle der Banken im Finanzsystem. Mit der Nullzins- bzw. Negativzins-Politik von verschiedenen Nationalbanken wird sich die Diskussionen weiter verschärfen. Bitcoin bietet eine echte Alternative zum heutigen Geldsystem an, mittels Blockchain sind die entsprechenden Eigentumsverhältnisse, die Rückverfolgbarkeit und auch die anonyme Aufbewahrung der Transaktionswährung sichergestellt. Seit dem 1. Juli 2016 akzeptiert die Stadt Zug als erste Behörde Bitcoin als Zahlungsmittel. Damit schreibt Zug international Geschichte. Gebühren bis zu CHF 200.- lassen sich so im Pilotprojekt neu mit Bitcoin bezahlen.

Die Transaktionskosten bei Bitcoin sind deutlich tiefer und bieten gegenüber den bisherigen Geschäftsmodellen finanzielle Vorteile, so benötigt man keine Bankverbindungen mit den entsprechenden Gebühren (Kontoführungsgebühren, Kartengebühren etc.) mehr. Ausserdem löst man sich auch von den bestehenden Zinsstrukturen (Guthaben- und Kreditzinsen).

Die Digitalisierung führt bei den beschriebenen Modellen zu einer günstigeren Volkswirtschaft, der Kunde und auch der Selbständige profitieren. Die bestehenden Unternehmen hingegen kommen massiv unter Druck, ausser, wenn sie dem Kunden einen echten Mehrwert bieten können.

Diese granulare Volkswirtschaft, welche im Entstehen ist, schafft auch für den einzelnen Staat Änderungen. Die Mehrwertsteuer muss möglicherweise auf ein anderes Fundament gestellt werden, denn Selbständige profitieren im aktuellen System von Freibeträgen, was auch für Sozialversicherungen gilt. In der alten Industriegesellschaft mit den vielen regulär Angestellten wurden all diese Beträge ordentlich, effizient und pünktlich durch die Arbeitgeber abgerechnet. Selbständige jedoch sind möglicherweise gar nicht versichert, bzw. gehören nicht zu den versicherten Personen, so. z.B. bei der Arbeitslosenversicherung. Selbständige werden den Sozialstaat wahrscheinlich auch weniger für Leistungen beanspruchen, so entfallen z.B. Berufsbewilligungen und Diplomanforderungen. Die heutigen Staaten reagieren mit Verboten, Gerichten und Kontrollen gegen diese neue Welt der Apps und der Digitalisierung. Die Spannungen zwischen der «alten» und der «neuen» Welt werden sicherlich steigen – die neue Welt mit den Apps (E-Plattformen), ihre Freiheiten und ihre geringen Kontrollmöglichkeiten (keine oder wenige Regulierungen) gegenüber der alten Welt, aufgebaut aus Staaten mit Regeln, Vorschriften, Transparenz und einer zentralen (staatlichen) Datensammlung aller geleisteten Arbeiten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch schwierig abzuschätzen, wie und wohin sich dies alles bewegen wird.

Damit dieses Werk nicht nur als ein weiteres, trockenes Fachbuch daherkommt, ist darin eine Science-Fiction-Story mit dem Protagonisten Ben dargelegt, die im Jahr 2030 handelt. Diese Geschichte soll das Buch auflockern, Ihnen aber auch die verschiedensten Zukunfts-Möglichkeiten und deren Umsetzung im Bereich der Digitalisierung visualisieren. Anschliessend an die Geschichte von Ben wird jeweils auf den aktuellen Stand der Digitalisierung in diesem Bereich oder Thema eingegangen. Sie werden möglicherweise überrascht sein, wie weit die Digitalisierung in unserem Leben bereits fortgeschritten ist.

Die einzelnen Kapitel dieses Buchs unterscheiden anhand der folgenden Icons zwischen Fiktion und Realität:

  Science-Fiction
Der Hauptakteur ist Benjamin, 35-jährig und ein Profiteur der Digitalisierung. Ben lebt und arbeitet in einer schweizerischen Kleinstadt mit 16’500 Einwohnern und arbeitet heute bei einem digitalisierten Unternehmen in der Transportbranche. Alle Marken, Namen, Ortschaften oder Begebenheiten sind frei erfunden, wie auch die möglichen eingesetzten neuen Produkte und Tools.
  Heutige, reale Welt
Hier werden die harten Fakten zusammengetragen, welche aus diesem schnell verändernden Markt entstehen. Zudem werden weitere Details oder Zusammenhänge erläutert.

Und wir alle sind mitten drin

In der neuen (anderen) digitalen Welt da draussen entstehen laufend – und dies ist völlig anders als in der früheren Entwicklung – in einem rasanten Tempo neue Geschäftsmodelle. Vielleicht auch schon in Ihrer Branche.

Aus einer Studie der HWZ (Hochschule für Wirtschaft Zürich) aus dem Jahr 2015 geht klar hervor, dass 56% der Schweizer-Unternehmer als «digitale Dinosaurier» zu bezeichnen sind und sich auf der anderen Seite bereits rund ¼ der Unternehmen als «digitale Master» bezeichnen lassen. Aus meiner persönlichen Erfahrungen heraus lässt sich letzterer Wert als sehr hoch beurteilen, bzw. es fragt sich aber auch, was man als «digitalen Master» bezeichnet. Aus meiner persönlichen Sicht ist man mit einer (tollen) Webseite, einer App und/oder einem E-Shop noch nicht im digitalisierten Zeitalter angekommen. Digitalisierung ist weit mehr, denn sie verändert in den allermeisten Fällen das bestehende Geschäftsmodell von Grund auf: Die Aufbau-Organisation verändert sich grundlegend, die Werte-Leistungen für Kunden sind komplett anders uvm. – dies ist die Digitalisierung, welche wir in diesem Buch thematisieren. Um auf die 26% der«digitalen Master» zurückzukommen – dies würde für uns als Konsumenten bedeuten, dass bereits jedes 4. Unternehmen in der Schweiz auf UBER- oder Amazon-Niveau tätig ist. Aus meiner persönlichen Sicht ist dies aber bei weitem nicht der Fall.

Je nach Branche entwickelt sich die digitale Transformation unterschiedlich. So gibt es Branchen, welche bis anhin noch nicht betroffen sind. Andere Branchen hingegen spüren die Transformation bereits sehr stark, wie z.B. die Taxibranche (UBER, myTaxi), Hotellerie (Airbnb, Trivago), Reisebüros (booking.com, skyscanner), Medien (20min, cash), Buch-Detailhandel (amazon, buch.ch) usw.

Die nachstehende Grafik zeigt aufgrund einer Deloitte-Studie, wo sich welche Branchen auf dem Weg zur digitalen Transformation befinden. Die Studie wurde für Australien erstellt und visualisiert. Es zeigt sich, dass jede einzelne Branche über kurz oder lang von der Digitalisierung betroffen sein wird. Die Grafik visualisiert ausserdem, mit welcher Intensität und in welchem ungefähren Zeitraum die entsprechende Branche durch die Transformation betroffen sein wird.

Quelle: Stand: 23.02.2017, Quelle: Deloitte Digital Consulting

 

Ich persönlich hoffe, dass Sie den Weckruf verstehen werden. Verschiedene Experten und Fachleute sprechen von einer Revolution, ich persönlich sehe das Ganze eher als eine Transformation, als eine digitale Transformation. Die Technik hilft mit, neue Strukturen und Geschäftsmodelle einfacher und transparenter zu lösen. Was spricht denn dagegen, diese Technik und den Fortschritt gewinnbringend zu nutzen? Und ja, jede Veränderung birgt Gefahren, aber auch Chancen. Matchentscheid ist dabei, zu den Gewinnern zu hören, welche die Veränderung als grosse Chance wahrnehmen. Albert Einstein soll Folgendes gesagt haben: «Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben».

Die Digitalisierung ist unaufhaltsam. Disruptive Technologien lassen alte Geschäftsmodelle ins Wanken geraten und zwingen Unternehmen dazu, digitale Initiativen zu ergreifen – auch in den Bereichen Marketing und Kundenservice. Gerade in der Kundengewinnung und Absatzförderung sind digitale Methoden mit grossen Chancen verbunden – werden heute aber noch nicht genug ausgeschöpft.

Viele kleinere und mittlere Betriebe lassen das Potenzial der Digitalisierung ungenutzt. Als Hauptgründe werden folgende Punkte angeführt:

  • fehlendes Bewusstsein für das Potenzial der digitalen Lösungen
  • Mangel an technischem Know-how
  • Furcht vor hohen Kosten
  • mangelnde zeitliche Kapazitäten

Dabei gibt es auch für kleinere Unternehmen, wie beispielsweise den Gewerbebetrieb um die nächste Ecke, adäquate digitale Lösungen, um Stammkunden zu aktivieren, Neukunden zu gewinnen und die Umsätze zu erhöhen. Als Basis und als absolutes MUSS fungiert dabei eine optisch ansprechende, informative, aussagekräftige und mobil optimierte Webseite. Sie vermittelt den ersten Eindruck, wenn potenzielle Kunden nach einem Lieferanten/Dienstleister Ausschau halten. Darüber hinaus dürfte auch die eigene App oder eine responsive Webseite in Zukunft für Kleinbetriebe an Bedeutung gewinnen und sich die erhöhte Interaktionsrate auf mobilen Devices zu Nutze machen. Potenzielle Kunden müssen auf die Webseite aufmerksam gemacht werden. Hier geht es heute nicht mehr nur um klassische SEO-Möglichkeiten. Die Optionen, gerade für kleine Anbieter, sind weitaus umfassender. Beispielsweise gibt es Tools, um kleinere und mittlere Betriebe mit wenigen Klicks in diversen Online-Branchenverzeichnissen (wie yelp, Google Maps oder Foursquare) zu platzieren – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Google Ranking.

Als Service und Dienstleistung sollte vermehrt auch die Möglichkeit geboten werden, Online-Buchungen/Terminbuchungen vorzunehmen – nicht nur, weil durch die freiwillige Eingabe der Kunden wichtige Daten generiert werden. Der Kunde kann dadurch jederzeit online eine Buchung/Wunschtermin fixieren und Unternehmen haben mit dieser Dienstleistung einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil. Ein zusätzlicher Nutzen ist daraus abgeleitet die automatisierte Termin-Erinnerung per SMS oder E-Mail – wodurch die Ausfallquote massiv sinkt. Dies impliziert nicht nur einen besseren Kundenservice, sondern die generierten Daten bilden auch die Basis für weitere Marketing-Massnahmen – sofern sie professionell gemanagt werden. Der Aufbau eines Customer Relationship Management (CRM) ist für kleinere und mittlere Betriebe sinnvoll. So lassen sich deutlich einfacher Kundengruppen segmentieren und individuell per E-Mail oder SMS bearbeiten. Beispielsweise ist die zielgruppengerechte Aussendung von Newslettern, Aktionsangeboten oder Gutscheinen ein wirkungsvoller Weg, um bestehende Kunden zu (re-)aktivieren, oder um konkretes Cross- und Upselling zu betreiben. Und auch eigene umfassende Datenanalysen werden für kleine Unternehmen als denkbares Instrument möglich. Für kleine Unternehmen/Verkaufsgeschäfte kann es auch von Bedeutung sein, sich zu fragen, welche Verkaufsförderung/Angebote wann am besten angenommen werden, wo welche Preise verändert werden sollen und welche Kunden für welche Angebote zu aktivieren sind.

Die Digitalisierung wird auch bei kleinen und mittleren Betrieben eine hohe Relevanz erhalten – unabhängig davon, ob es sich um ein einzelnes Unternehmen, oder um eine Kette mit einem grösseren Filialnetz handelt. Die Digitalisierung (mit den entsprechenden verwendeten digitalen Instrumenten/Massnahmen) wird ein starkes zusätzliches Differenzierungsmerkmal in einem kompetitiven Umfeld sein. Schlanke, passgenaue und bezahlbare Lösungen werden vermehrt auf den Markt drängen und die Zahl der Anbieter für diese Anwendungen wird steigen.

Wie die digitale Transformation zum Erfolgsfaktor wird

Wenn man den Verbänden und Unternehmen zu hört, bekommt man den Eindruck, dass die Industrie 4.0 bereits mehr oder weniger realisiert wurde und alles bestens ist. So haben in einer Studie der Swissmem (Verband der Schweizer Maschine-, Elektro- und Metallindustrie) im Jahr 2016 76% der 373 befragten Unternehmen ausgesagt, dass sie bereits Projekte umsetzen und die Digitalisierung dementsprechend als kein Problem wahrnehmen. Ein ähnliches Bild ergab im Jahr 2016 eine nicht repräsentative Befragung von Mitgliedern eines Wirtschaftsverbandes an einem KMU-Anlass – dabei mussten die Teilnehmer ihre Unternehmen in einer Skala von 1-10 zur Integration der Digitalisierung bewerten. 87% der Teilnehmer gaben ihrem Schweizer-Unternehmen einen Wert von 8 bis 10 (10 = Unternehmen ist voll digitalisiert). Nur 1 Unternehmen beurteilte sich mit einer 2, wobei das Unternehmen eine eigene Webseite, ein E-Shop, einen Blog sowie eine App führt und aktive SEO und SEA betreibt.

Diese beiden Erhebungen haben ein ganz gegensätzliches Resultat ergeben. Die Eigenbeurteilung und somit das Eigenbild der Unternehmen zum Stand der Digitalisierung wird beschönigt dargestellt oder der Begriff und den entsprechenden Impact der Digitalisierung wird anders interpretiert und verstanden.

Meine persönlich Sicht ist deshalb, dass sich Menschen, Unternehmen und Organisationen zu Thema Digitalisierung überschätzen und Ihren effektiven, tatsächlichen Entwicklungsstand verkennen. Zwischen dem Anwender, der zwar jeden Tag Daten elektronisch (wie Geschäfts-E-Mails) erfasst, auf seinem Smartphone surft, die aktuellen News nur elektronisch konsumiert, WhatsApp beantwortet usw. und dem eigentlichen Verstehen des Transformationsprozesses der Digitalisierung liegen grosse Welten, wie die beiden Erhebungen zeigen. Digitalisierte Unternehmen integrieren alle Prozesse und Bereiche in ihre Überlegungen hinsichtlich der Digitalisierung mit ein, Produkte und Daten werden gesamtheitlich verbunden, Transaktionsprozesse werden deutlich reduziert und vereinfacht und erleichtern damit das Konsum- und Kaufverhalten der Konsumenten äusserst nachhaltig und in den bestehenden Grundwerten. Die neuen (noch nie dagewesenen) Ansätze weisen stets einen disruptiven Charakter auf. Bestehende klassische Unternehmen haben diesen (schlagartig auftretenden) Ansätzen nichts entgegenzusetzen, einerseits, weil die Unternehmen über zu wenig Know-how verfügen und andererseits, weil sich die Unternehmen die Entwicklung mit neuen Geschäftsmodellen nicht einmal «im Traum» vorstellen konnten. Alle heute erfolgreichen digitalisierten Unternehmen haben bestehende klassische Unternehmen verdrängt. Beispiele gibt es genügend, nachstehend sind einige aufgeführt.

Klassisches Lexikon (Brockenhaus) – versus – Google Search Engine

Klassischer Buchhandel – versus – Amazon, book usw.

Klassischer Versandhandel – versus – Amazon, Digitec usw.

Klassische Taxiunternehmer – versus – UBER, MyTaxi usw.

Klassische Reisebüros/Agenten – versus – booking.com, ebookers, skyscanner, usw.

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 glaubt die Mehrheit der Unternehmen, dass die Digitalisierung ihre Geschäfts-und Arbeitsprozesse immer stärker beeinflusst. Die meisten Unternehmen bekunden aber grössere Schwierigkeiten, mögliche Lösungsansätze zu definieren und entsprechende Projekte erfolgreich im Markt umzusetzen.

Verschiedene Tech-Startups (wie Airbnb, UBER, Netflix usw.) sehen in der digitalen Transformation ihre Geschäftsvorteile und werden zur ernsten Konkurrenz für etablierte Grossunternehmen. Um für die Zukunft gewappnet zu sein, benötigt es Innovation, eventuell sogar eine Geschäftsmodellinnovation. Aber es gibt keinen klassischen Königsweg für die Innovation. Vielmehr kommt es in erster Linie darauf an, dass Unternehmen die Digitalisierung im vollem Umfang begreifen und mit diesem Thema arbeiten. Den richtigen Fokus zu haben, ist dabei mindestens ebenso wichtig. Dies bedeutet, das richtige Geschäftsmodell und die richtigen Organisationsstrukturen zu haben, möglicherweise impliziert dies deutliche Veränderungen gegenüber dem heutigen aktuellen Geschäftsmodell. Dabei spielt gerade die Unternehmenskultur im Kontext der Digitalisierung eine wichtige Rolle. Startups und ihre disruptiven Businessmodelle greifen heute ganze Märkte an. Durch ihre offene und progressive Unternehmenskultur bleiben junge Unternehmen trotz ihres schnellen Wachstums schlank und beweglich und sind für Top-Talente besonders attraktiv.

Eine Fähigkeit, die man nicht unterschätzen sollte: Für Unternehmen, die zukunftsfähig bleiben wollen, wird es extrem wichtig, unternehmerisch handelnde Teamplayer an Bord zu haben, welche die sich ändernden Anforderungen verstehen, offen für Neues sind und auf kollaborative Lösungen setzen. Zusätzlich empfiehlt es sich, ein starkes Netzwerk von externen Innovationspartnern aufzubauen, die ständig neue Impulse in die Organisation tragen und mit denen sich simultan schnelle Pilotprojekte ausserhalb der internen Strukturen umsetzen lassen. Denn die eigenen Strukturen zeigen sich oft in den frühen Innovationsphasen als zu behäbig und als zu widerstandsfähig. Unternehmen, die diese Punkte in vollem Umfang berücksichtigen und mit Augenmass auf ihre Situation und Bedürfnisse adaptieren, werden sich entscheidende Wettwerbsvorteile sichern. Viele Unternehmer und Entscheider setzen noch immer auf die eigenen Ressourcen und unterschätzen das Risiko der institutionellen Blindheit.

Open Innovation Methoden (wie Value Innovation) eröffnen hier neue Blickwinkel. Sie können auf viel grössere Ressourcen zurückgreifen, als den meisten Unternehmen zur Verfügung stehen und beziehen Key Stakeholder bereits in einem frühen Entwicklungsstadium mit ein. Aber auch Crowdstorming als eine Form der open Innovation spielt dabei eine zentrale Rolle. Unternehmen können auf Innovationsplattformen wie jovoto in einem sicheren und professionellen Umfeld mit 1000 talentierten Köpfen gleichzeitig arbeiten und schnell zu umsetzbaren Ergebnissen kommen. Beispielsweise soll der im 2015 erfolgreich eingeführte Think Tank «the Future of Food and Beverage» (die Zukunft der Lebensmittel- und Getränkeindustrie) erstmals das Wissen von Ernährungsindustrie und Trendexperten einer globalen Crowd verbunden haben. In einer progressiven Umgebung sollen damit Zukunftsszenarien für diese Branche entwickelt und eingeführt werden.

Die gesamte Entwicklung der Digitalisierung wird heute vor allem noch aus den USA oder Asien vorgegeben. Dabei müsste sich die schweizerische bzw. die europäische Wirtschaft mit ihren Vorzeigesektoren grundsätzlich nicht vor der Konkurrenz verstecken.

Wie bei jeder grossen Veränderung ist es wichtig, die gesamte Organisation zu berücksichtigen und den Wandel mit den neuen Chancen zu ermitteln. Um das volle Potenzial der Digitalisierung auszuschöpfen, geht es aber nicht mehr allein darum, bestehende Prozesse durch IT zu unterstützen, sondern das Geschäftsmodell anhand innovativer Technologien neu zu reflektieren und den neuen Gegebenheiten entweder anzupassen oder als neues eigenes Geschäftsfeld aufzubauen. Unternehmen sind mehr denn je gefragt, aktiv eine Zukunft zu gestalten, die sowohl für Kunden als auch für alle anderen Bezugsgruppen disruptive Erfahrungen schafft. Es erfordert Zusammenarbeit, Anpassungsfähigkeit, einen frischen Blick über den eigenen Tellerrand, Bereitschaft zur Anpassung der eigenen Strukturen und ein tiefes Verständnis für das Kundenverhalten.

Einer der Treibstoffe der Digitalisierung

Ein Merkmal der digitalen Transformation ist, dass hohe Investitionen in neue unterschiedliche Technologien getätigt werden, zudem verändert sich das Konsum- und Kaufverhalten der Kunden massiv. Investitionen sind auf Grund des billigen Geldes (Tiefzinsphase an den Kapitalmärkten) relativ einfach vorzunehmen, dadurch beschleunigt sich die Innovations- und Entwicklungstätigkeit massiv. Diese Beschleunigung des Entwicklungszyklus führt vermehrt in den verschiedensten Branchen zu abrupten Umwälzungen disrupten Ausmasses.

Dieser Veränderungsdruck lastet auf Firmen, Unternehmen, staatlichen Behörden und auch auf den Arbeitnehmern. Als Konsument kann ich heute noch auswählen – man kann die Veränderung mitmachen oder darauf verzichten. Noch gibt es alternative, herkömmliche und klassische Angebote und Leistungen.

Die aktive Mitgestaltung und die Bereitschaft, sich immer wieder Neues anzueignen und sich somit der Veränderung zu stellen, ist zweifelsohne der bessere Weg. Als Konsument und Nutzer schmunzelt man manchmal über andere Konsumenten, welche all diese Entwicklungen hin zur Automatisierung und Digitalisierung nicht mitgemacht haben. Diese Konsumenten haben es aber immer schwieriger, denn Automaten haben die Arbeiten übernommen. So ist es heute selbstverständlich, dass man mit einer Bankkarte Geld an einem Automaten abhebt, das Zugbillett am Ticketautomaten oder mit dem Smartphone löst, oder einen Flug per Smartphone bucht. Was ist, wenn der Konsument und Nutzer weder Bankkarte noch Smartphone oder Internetanschluss besitzt? Dann kann das tägliche Leben deutlich eingeschränkter sein. Es ist immer besser, wenn man eine Veränderung aktiv mitgestalten kann und nicht irgendwann unter grossen Umsetzungszwang kommt. Dies gilt sowohl für Konsumenten (Privatpersonen), Unternehmen und Firmen, wie auch für staatliche Institutionen. All jene Menschen und Unternehmen, welche diese Entwicklung verpassen, werden zwangsläufig in der Nutzung von Produkten/Leistungen über kurz oder lang leider zu den Verlierern gehören.

Die Geschwindigkeit dieser Transformation ist unglaublich schnell, neue Startups im digitalen Umfeld entstehen täglich, aber auch klassische Unternehmen investieren viel in diesen technischen Hype. Nicht alle Ideen und Ansätze werden sich vollumfänglich im Markt etablieren. Was wir sehen, ist ein vergleichbarer Technologie-Hype wie um das Jahr 2000 herum, als die Dotcom-Blase entstand. Da die Kapitalkosten durch die tiefen Kapitalzinsen billig sind, lassen sich Investitionen in neue Technologien (Digitalisierung, Automatisierung, virtuelle Realität, künstliche Intelligenz, neue Nano- und Biotechnologien) einfach finanzieren. Dabei richten alle neuen Unternehmen den Fokus vor allem auf den Umsatz (schnelles Wachstum) und somit auf das Erkämpfen eines grösstmöglichen Marktanteils – was zu immer tieferen Marktpreisen erfolgt. Die Rentabilität steht vielfach erst an 2. Stelle. Beispiele solcher Unternehmen sind Twitter, Snapchat, Instagram, Birchbox, Digitec oder Amazon. Bestehende, klassische Unternehmen kommen dadurch immer stärker unter Druck.

Aber auch das Konsumverhalten verändert sich massiv, der Konsument erlebt täglich geopolitische Turbulenzen, die globale Erwärmung, Terrorismus, und einen grossen Druck am Arbeitsplatz. Die Welt wurde aus Sicht des Konsumenten volatiler, ungewisser, komplexer und mehrdeutiger. In einem solchen Umfeld neigt der Menschen entweder zu Angst oder Hoffnung – bei Angst ist es die Frage, was alles noch kommen wird, bei der Hoffnung ist es die Vorstellung einer besseren Zukunft. Die meisten Menschen und Konsumenten sind im 2017 eher ängstlich. Das führt dazu, dass die Konsumenten eher Geld sparen, anstatt es auszugeben. Als Folge davon wächst die Sparneigung, was wiederum dazu führt, dass das Kapital noch weniger verzinst wird, weil viel davon gespart wird. Unternehmen können dadurch weiterhin günstig investieren und sind durch die Sparneigung der Konsumenten und den Kostendruck dazu gezwungen, weiter zu rationalisieren. Der Technologie-Hype wird mit dem vielen günstigen Geld weiter befeuert.

Diese Spirale der Beschleunigung wird weiterhin anhalten. Dieser neuen Realität haben wir uns anzupassen, wie auch der Kluft zwischen den Menschen und Unternehmen, welche diesen Wandel heute aktiv mitgestalten und den Abgehängten. Diese Kluft wird zukünftig immer grösser, sei es im Bereich der Technologie, der Tätigkeit (Arbeitsumfeld) der Menschen und der finanziellen Sicherheit (soziale Ungleichheit und Gerechtigkeit).

Die entstandenen und entstehenden disruptiven Brüche in unserer Gesellschaft und der Geschäftswelt verursachen bei etablierten/klassischen Unternehmen, staatlichen Institutionen und Privatpersonen grosse Schwierigkeiten. Es ist davon auszugehen, dass die technologische Innovation bei der Hard- und Software zu einem geringeren Personalbedarf führt und dadurch in allen Branchen und Bereichen eine höhere Arbeitslosigkeit resultiert.

Den Wandel unserer Gesellschaft und Geschäftswelt müssen wir als neue Realität anerkennen. Dies bedeutet auch, dass wir unsere Zukunft aktiv mitgestalten müssen, indem wir kritisch aktuelle Trends hinterfragen und unser politisches Mitspracherecht nutzen.

Wenn Sie sich noch nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt haben und Sie sich generell von der Digitalisierung überfordert fühlen, empfehle ich Ihnen persönlich, wie folgt vorzugehen:

  • Beschäftigen Sie sich mit dem Thema: Lesen Sie entsprechende Fachartikel in Zeitungen, Blogs, Newsrooms usw.
  • Besuchen Sie Fachveranstaltungen, Vorträge, Seminare zum Thema
  • Bilden Sie sich gegebenenfalls weiter, an Fachhochschulen usw.
  • Holen Sie sich Hilfe bei Fachpersonen, wie digitalen Transformern, Unternehmensberatungen usw.
  • Gehen Sie Schritt für Schritt vor, denn nur in kleinen, plan- und überschaubaren Schritten kommen Sie dem Endziel näher

«Disrupt or be disrupted» (zerstöre oder werde zerstört)

Die digitale Transformation wird neue Geschäftsmodelle, Prozesse, Abläufe und Kommunikationsformen hervorbringen, sie wird Berufe verändern, Leistungen verschieben, Transaktionskosten reduzieren und neue Tätigkeiten schaffen, an die bis anhin noch nie jemand gedacht hat. Ist denn die digitale Transformation im Geschäftsleben eine Utopie oder eine Vision? Oder nur ein Hype? Bereits heute sind in vielen Bereichen die ersten Ansätze der Entwicklung in Form von realen Projekten und nützlichen Tools sichtbar. Kein Geschäftsprozess wird davon ausgeschlossen sein, die Evolution geht unaufhörlich weiter. Eine Art Revolution ist im Gange, es ist eine Transformation vom «Denken in Systemen» hin zum «Arbeiten in Netzwerken», wo alles mit jedem verbunden ist. Dies sind nicht nur technische Fragen oder Abwicklungen, sondern auch ganz persönliche Werte, beispielsweise die Frage, wie man künftig in einem Unternehmen miteinander umgeht. Die Zusammenarbeit wird über Berufsgruppen und Unternehmen hinweg zu einem regen Austausch führen.

Schweizer Unternehmen sind noch sehr zurückhaltend (eine typisch schweizerische Art), zwar ist man von den Möglichkeiten der Technik und der neuen Möglichkeit fasziniert, daneben aber sehr zurückhaltend in den Investitionen und im Aufbau von neuen integrierten Modellen. An Tagungen und Seminaren wird viel geredet, genickt und den Thesen zugestimmt, umgesetzt wird hingegen wenig. Dabei hat der Wind gedreht – statt Ideen wie früher lange abzuklären, zu prüfen und zu evaluieren, müssen Unternehmen die digitale Transformation heute rasch umsetzen. Nur so haben Schweizer Unternehmen die Chance, der Konkurrenz in Zukunft einen Schritt voraus zu sein. Alle jene, welche die Macherkultur des Silicon Valleys erlebt haben, verstehen dies nur allzu gut – weshalb lassen wir uns nicht davon inspirieren? Und akzeptieren auch eine Fehlerkultur, aber eine Fehlerkultur à la Suisse? Amerikaner verwenden gerne das Zitat «Nothing is a mistake. There’s no win and no fail, there’s only make» (nichts ist ein Fehler, es gibt keinen Gewinn und kein Scheitern, es gibt nur ein Machen).

Wann starten Sie?

Viele Veränderungen erfolgen leise und still, man gewöhnt sich ohne Probleme an die Entwicklung.