HRM 4.0

Employer Branding und Social Recruiting

Von Prof. Martina Dalla Vecchia

Wenn man Social Media auf den Kern reduziert, bringt es dieser Satz auf den Punkt:

«You are what you share!»

«Du bist was Du teilst!»

In der digitalen Welt ist das, was wir von uns preisgeben, entscheidend für das, was andere in uns sehen. Jedes Foto, das wir posten, jeder Kommentar, den wir schreiben und jeder Like, den wir klicken, sagt etwas über uns aus. Es trägt ein Stückchen dazu bei, wie andere Menschen uns wahrnehmen. Unsere Präsenz auf den verschiedenen Plattformen mit Beiträgen, Kommentaren, Links, Bildern und Videos erzeugt beim Betrachter ein Bild. Und dieses Bild kann man gezielt beeinflussen. Dies gilt für Personen und Unternehmen gleichermassen.

Jede Stellenausschreibung und jedes Unternehmensprofil auf den Business-Netzwerken trägt zum Gesamtbild bei, das Bewerber von einem Unternehmen bekommen.

Dabei gilt es zwei Benutzerarten zu unterscheiden: Erstens die Menschen und zweitens die Maschinen (Suchmaschinen und digitale Agenten). Beide durchstöbern das Internet und sammeln Informationen. Die Menschen machen dies meist, um ein Problem zu lösen oder ein Interesse zu stillen. Die Maschinen wurden in der Regel programmiert, um systematisch Informationen aus Webseiten, Stellenplattformen, Forenbeiträgen oder Dokumenten herauszulesen.

Social Media war nach dem «ich bin drin»-Effekt des Internets der letzte grosse Hype. Warum das so ist, wird schnell klar, wenn man sich die gewaltigen Zahlen anschaut, mit denen operiert wird (Stand Anfang 2016):

  • 3,42 Milliarden Menschen sind im Internet aktiv
    (= 46 % der Weltbevölkerung)
  • 31 % davon nutzen soziale Medien wie Facebook,
    Instagram, Twitter, WhatsApp etc.
  • 1,5 Milliarden Menschen haben ein Facebook-Account
  • 3,5 Millionen Facebook-Accounts in der Schweiz
  • 3,5 Millionen Facebook-Accounts in Österreich
  • 28 Millionen Facebook Nutzer in Deutschland
  • 3,1 Millionen Menschen sind mit mobilen Geräten in der Schweiz «Social-Aktiv»

Da bekommen nicht nur Marketingverantwortliche grosse Augen. Immer mehr wird es auch für Personalverantwortliche interessant, dieses Potential zu erschliessen. Schliesslich liefern all diese Menschen den Plattformbetreibern wie Facebook, XING, LinkedIn, Twitter & Co. persönliche Daten, und dies gratis und franko.

Mit diesem Datenschatz eröffnen sich Möglichkeiten, wie neue Märkte/Netzwerke erschliessen, Interessen/Keywords ausloten, Marktforschung betreiben, Kunden in die Produktentwicklung einbeziehen, punktgenaue Platzierung von Werbung (im weitesten Sinne) ist möglich und die Ansprache von geeigneten Bewerbern oder die Nutzung des persönlichen Netzwerkes für die Empfehlung von offenen Stellen.

Aber: Kein Licht ohne Schatten. Neben den vielen Chancen birgt Social Media auch Risiken. Besonders häufig wird die Frage nach dem Aufwand und den Ressourcen gestellt, die für Social Media bereitgestellt werden müssten, und wo für Unternehmen der Mehrwert entsteht.

Grundsätzlich kann man den Mehrwert für Unternehmen in drei Bereiche einteilen:

  1. Erhöhte Sichtbarkeit. Unternehmen können sich mit ihren Kernkompetenzen positionieren und sind dort sichtbar, wo sich die Internetnutzer aufhalten. Dies kann durch Werbung meist punktgenau unterstützt werden.
  2. Interaktion mit Interessierten. Auf den Social Media-Plattformen bilden sich Communities, die über verschiedenste Themen diskutieren, unter anderem auch über Unternehmen und offene Stellen, diese bewerten und Empfehlungen aussprechen. Das Besondere an diesen Social Talks: Die Reaktionszeiten sind sehr kurz.
  3. Netzwerke erschliessen neue Kontakte. Jede socialaktive Person hat im Schnitt 150 Kontakte. Über den Newsstream verraten die Kontakte, wofür sich jemand interessiert, und in geschlossenen Gruppen oder Messaging-Kreisen werden direkt Inhalte für diese kleine Zielgruppe GETEILT.

Für das Personalwesen oder das Human Resource Management ergeben sich daraus verschiedene Optionen:

  1. Sichtbarkeit: Stellenausschreibungen können schneller und mit einer grösseren Streuung verbreitet werden. Unternehmensprofile vermitteln Arbeitgeberwerte (Employer Branding) und bilden ein Bindeglied (Hub) zur eigenen Website. Die persönlichen Profile auf Business-Netzwerken ermöglichen die direkte Suche und Ansprache von Kandidaten.
  2. Interaktion: Bewerber können schnell mit dem Unternehmen in Kontakt treten. Via Chat oder IP-Telefonie (Skype/Google Hangout etc.) könnten erste Fragen direkt beantwortet werden. Auf der anderen Seite können Bewerber vom Unternehmen direkt angesprochen werden (Active Sourcing).
  3. Netzwerke: Stellen könnten direkt und einfach in einem Netzwerk empfohlen werden. Das Netzwerk gibt darüber hinaus auch Aufschluss über das Weiterempfehlungspotienzial einer Person. So kann man zum Beispiel einen Mitarbeiter direkt ansprechen und Möglichkeiten für eine Verbreitung in seinem Netzwerk besprechen (Incentive).

Zentrale Aufgaben einer Personalabteilung sind das Employer Branding, Personal Marketing und Rekrutierung. Diese Aufgaben können mit den neuen digitalen Medien unterstützt werden (siehe nachfolgende Abbildung). Allerdings sollte diese nicht als punktuelle «Insellösung» betrachtet werden, sondern immer im gesamten Prozess.

So kann zum Beispiel durch den Einsatz von Social Media die Kontaktaufnahme zum Kandidaten schneller erfolgen. Wenn aber die nachfolgenden Prozessschritte nicht digital optimiert sind, bringt diese Zeitersparnis keinen wirklich langfristigen Vorteil. Ein anderer Fall ist die Kündigung. Natürlich könnte man eine Kündigung auch via WhatsApp aussprechen, allerdings hat sie dann (noch) keine rechtlich verbindliche Wirkung.

HRM Aufgaben Digitale Transformation
Employer Branding (strategisch, langfristig): Ziel ist es, auf der Unternehmensmarke aufbauend, eine einzigartige, wiedererkenn­bare Arbeitgeber­marke zu vermitteln. Website und Unternehmensprofile auf Social Media-Plattformen. Sie vermitteln die Arbeitgeberwerte und einen Einblick in das Arbeits­umfeld.

Online-Jobbörsen
Beispiele: jobs.ch, monster

Business-Netzwerke
Beispiele: XING, LinkedIn

Private Netzwerke
Beispiele: Facebook, Instagram, Pinterest

Messaging-Plattformen
Beispiele: WhatsApp, Skype

Content-Plattformen
Beispiele: YouTube, Twitter, SnapChat, Wikipedia

Bewertungsplattformen
Beispiele: Kununu, Glassdoor

Recruiting (zielorientiert, kurzfristig): Ziel ist es, offene Positionen möglichst
(kosten-) effizient mit qualifizierten Kandidaten zu besetzen

 

In den letzten Jahren haben sich rund um Social Media im Bereich Personalwesen verschiedene Fachbegriffe etabliert:

  • E-Recruiting

Versteht sich als Überbegriff für die Personalbeschaffung durch den Einsatz von elektronischen Medien.

  • Social Recruiting

Hierbei werden die Social Media-Plattformen genutzt, um Personen für eine offene Position zu gewinnen. Gleichbedeutet werden eingesetzt: Social Hiring, Social Recruitment und Social Media Recruitment.

  • Active Sourcing

Ziel ist es, vielversprechend Kandidaten zu identifizieren, mit ihnen in Kontakt zu treten, sie in eine Kandidaten-
Datenbank (Interessentenpool) aufzunehmen und sie schliesslich für eine offene Position gewinnen zu können. Proactive Sourcing wird als Synonym verwendet.

  • Inbound Sourcing

Ziel ist es, interessierte Kandidaten dazu zu bewegen, sich in eine Kandidaten-Datenbank (Interessentenpool) einzutragen.

  • Talentmanagement

Ist ein Oberbegriff für alle Massnahmen zur langfristigen Sicherstellung der Besetzung von wichtigen Positionen. Häufig spricht man auch von Talentmanagementsystemen. Dies sind dann Softwarelösungen, die interessante Personen mit deren Profil in eine Datenbank aufnehmen. So kann auch über längere Zeit ein «Talent» begleitet werden (siehe auch Active und Inbound Sourcing).

  • Employer Branding

Die Arbeitgebermarkenbildung lehnt sich an die Markenführung für Unternehmen an. Massgeblich ist die Identifikation von Arbeitgeberwerten, die eine Positionierung am Arbeitsmarkt ermöglicht. Das positive Arbeitgeberimage soll die Mitarbeitergewinnung unterstützen.

  • Best Match

Beste Übereinstimmung von der Stellenausschreibung und Bewerberprofil.

Weitere Begriffe aus dem Social Media-Umfeld, die HRM-Verantwortliche kennen sollten:

  • Hashtag

Einem Wort wird das # Hashtag-Zeichen vorangestellt. Damit wird automatisch die Linkfunktion aktiviert. Somit lässt sich die gesamte Plattform nach diesem Begriff durchsuchen. Die Hashtagfunktion wurde von Twitter entwickelt, ist heute aber auch bei Facebook, Instagram und vielen anderen Social Media-Plattformen nutzbar.

  • Social Signal

Hierbei handelt es sich um die Reaktion auf eine Mitteilung auf einer Social Media-Plattform, zum Beispiel in Form eines Kommentars, Likes, Shares, Retweets, Repin etc.

  • Shareable

Inhalte können bewusst so gestaltet werden, dass sie sich einfach auf Social Media-Plattformen teilen lassen. Erstellt man eine Website, einen Blog oder ein Profil auf einer Plattform, sollte man prüfen, ob die Teilen-Funktion erwünscht, ist und dies dann entsprechend gestalten.

  • User Generated Content

Inhalte, die von den Internetnutzern erstellt werden. Beispiele sind Blogbeiträge, Kommentare zu Artikeln, Bildern, Videos etc.

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Auszug aus dem E-Book: HRM 4.0 von Thomas Schwarb und Martina Dalla Vecchia. Das E-Book kann mit dem Gutscheincode „HRM4.0“ kostenlos heruntergeladen werden.